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Du musst Fehler machen, um gut Deutsch sprechen zu können

Autorenbild: Deutsch mit BenjaminDeutsch mit Benjamin

Viele Deutschlernende verstehen Deutsch sehr gut, können aber nicht so gut sprechen. Ein häufiger Grund: Sie haben Angst vor Fehlern. Sie denken: „Ich blamiere mich, wenn ich Fehler mache.“ Oder: „Wenn ich etwas Falsches sage, verfestigt sich der Fehler.“ Vielleicht hast du ja auch schon mal gezögert, eine neue Redewendung zu benutzen, weil du unsicher warst, ob sie gerade passt. Doch was, wenn Fehler nicht dein Feind, sondern dein wichtigster Helfer beim Lernen wären?


Fehler sind Helfer
Fehler sind Helfer.

Sprachwissenschaftliche Studien zeigen: Fehler beim Deutschlernen sind kein Zeichen von Scheitern, sondern sie sind ein natürlicher Teil des Lernprozesses.


Der Linguist Stephen Pit Corder betonte bereits 1967, dass Fehler wertvolle Hinweise darauf geben, welche Regeln du bereits verinnerlicht hast und welche du noch verarbeitest.


Fehler sind nämlich Belege dafür, dass du aktiv Hypothesen über die Sprache bildest und testest.


Viele Deutschlernende sagen z.B. am Anfang so was wie „ich habe gegangen“. Natürlich heißt es richtig „ich bin gegangen“, aber dieser Fehler zeigt doch im Endeffekt eins: Die Person hat bereits gelernt, dass man für das Perfekt das Hilfsverb „haben“ und das Partizip 2 braucht und genau dieses Wissen hat sie eben angewendet. Das ist doch super! Dieser Fehler ist nun eine prima Lernchance: Denn jetzt kann die Person ja lernen, dass manche Verben im Perfekt das Hilfsverb „sein“ verlangen. Wer Fehler als Lernchance begreift, wird schneller Fortschritte machen und sich weniger blockiert fühlen.


Warum Fehler wichtig sind, wenn du gut Deutsch sprechen willst


Fehler beim Deutschlernen sind nicht nur unvermeidlich, sondern auch ein wertvoller Bestandteil deines Lernprozesses.


Die Interlanguage-Theorie besagt, dass Sprachlernende eine individuelle „Zwischensprache“ zwischen ihrer Muttersprache und der Zielsprache aufbauen. Diese „Interimsgrammatik“ folgt oft eigenen Regeln, die sich durch Fehler äußern. Doch genau diese Fehler zeigen, in welcher Entwicklungsphase sich dein individuelles Sprachsystem gerade befindet.


Zurück zu unserem Beispiel: Dass manche Verben im Perfekt mit „sein“ gebildet werden, muss erst durch Erfahrung gefestigt werden. Fehler setzen eben genau hier an: Sie zeigen dir, an welchen Stellen dein Sprachverständnis noch nicht mit der deutschen Grammatik übereinstimmt und wo du gezielt nachbessern kannst.


An dieser Stelle möchte ich dir die Noticing-Hypothese vorstellen. Sie wurde von dem amerikanischen Linguisten Richard Schmidt aufgestellt und besagt, dass Sprachlernende neue Strukturen erst dann wirklich verinnerlichen, wenn sie aktiv auf sie aufmerksam werden. Fehler sind dabei ein entscheidender Faktor.


Sobald du eine falsche Form benutzt und darauf hingewiesen bzw. korrigiert wirst, erkennst du eine „kognitive Lücke“ – dein Gehirn registriert den Unterschied zwischen dem, was du gesagt hast, und der korrekten Form. Dieser Moment der Erkenntnis ist oft der Schlüssel zum nachhaltigen Lernen – also dass du dir die richtige Form nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig merkst.


Wenn du einen Fehler machst und dann die Korrektur bekommst, stellst du sicher, dass dir die Struktur (z.B. das Wort, der Laut, die Verbform usw.) aktiv bewusst wird – und genau damit schaffst du die Voraussetzung, um diese Struktur zu internalisieren und zu beherrschen. Hättest du den Fehler nicht gemacht, hättest du die Struktur vielleicht nur zufällig richtig benutzt und würdest sie somit nicht aktiv sicher beherrschen!

Fehler und Motivation: Warum eine positive Einstellung entscheidend ist


Schon in den 1970er Jahren haben die Linguisten Joan Rubin und Neil Naiman untersucht, was erfolgreiche Sprachlerner ausmacht. Sie haben herausgefunden, dass sie vor allem eins gemeinsam haben: eine hohe Fehlertoleranz und die Bereitschaft, Neues auszuprobieren – selbst auf die Gefahr hin, Fehler zu machen. Sie wissen, dass man ohne Fehler niemals flüssig sprechen lernt, weil Fehler nun mal ein natürlicher Bestandteil des Lernprozesses sind.


Besonders spannend finde ich hier den Zusammenhang zwischen Motivation und Fehlerwahrnehmung. Erstmal gibt es zwei Arten von Motivation: integrative Motivation (Interesse an der Sprache und Kultur) und instrumentelle Motivation (das Erlernen der Sprache aus einem konkreten Grund, z.B. für den Beruf). Laut verschiedener Studien sind Lernende mit integrativer Motivation oft mutiger, sich auf Gespräche einzulassen, auch wenn sie Fehler machen. Und genau das führt eben dazu, dass sie schneller lernen.


Entscheidend ist aber auch, wie man selbst gegenüber Fehlern eingestellt ist: Wer einen Fehler als hilfreiches Feedback sieht (nach dem Motto: „Ah, jetzt weiß ich, woran ich arbeiten muss!“), wird sich eher verbessern. Wer ihn dagegen als persönlichen Misserfolg deutet („Na ja, ich bin halt schlecht in Sprachen.“), verliert schneller die Motivation.


Deshalb ist eine positive Fehlerkultur auch so wichtig – sowohl im Unterricht als auch im Selbststudium. Fehler sind nichts, wofür man sich schämen muss. Im Gegenteil: Sie zeigen dir, dass du dich weiterentwickelst!


Welche Arten von Fehlern es gibt und wie du aus ihnen lernen kannst


1. Aussprachefehler: Verständlichkeit zählt mehr als Perfektion


Viele Deutschlernende machen sich Sorgen um ihren Akzent. Studien zeigen jedoch, dass ein hörbarer Akzent nicht das größte Problem ist – entscheidend ist, ob du verständlich sprichst und so, dass deine Aussprache deine Zuhörer nicht vom Inhalt ablenkt – dass man sich also voll und ganz darauf konzentrieren kann, was du sagst.


Eine häufige Fehlerquelle sind beispielsweise die Vokale (z.B. in den Wörtern wurden vs. würden). Solche Fehler können ja die Bedeutung verändern und sollten daher gezielt trainiert werden.


Moderne Sprachforschung betont das sogenannte Intelligibility Principle: Dein Ziel sollte nicht unbedingt eine perfekte, akzentfreie Aussprache sein (aber natürlich kann das dein Ziel sein, wenn du das wirklich möchtest). Viel entscheidender ist allerdings eine klare und gut verständliche Aussprache. Die gute Nachricht? Aussprachefehler lassen sich mit gezieltem Training und Feedback deutlich reduzieren.


2. Grammatikfehler: Ein Zeichen für Lernfortschritt


Grammatikfehler gehören zum Lernen einfach dazu. Besonders häufig kommt es zu Übergeneralisierungen, also zur Übertragung einer Regel auf zu viele andere Fälle, wie das Beispiel mit dem Perfekt am Anfang des Artikels.


Genauso häufig kommt es vor, dass uns bestimmte Grammatikregeln noch nicht bewusst sind (du erinnerst dich doch sicher an die oben beschriebene Noticing-Hypothese).


Klassisches Beispiel: Viele Deutschlernende – auch auf C1 oder C2 – sagen im Nominativ/Akkusativ Plural „die nette Leute“ statt „die netten Leute“ (mit Artikel) oder „nette Leute“ (ohne Artikel). Warum? Weil es ihnen eben nicht bewusst ist, dass es in diesem Fall einen Unterschied gibt, da sie nie drauf geachtet haben, weil es ihnen niemand gesagt hat – und weil sie diese Form demzufolge nie aktiv üben konnten.


Untersuchungen zur Fehleranalyse (z.B. Norris & Ortega, 2000) belegen aber, dass gezieltes Feedback und bewusstes Fehlermarkieren helfen, solche Fehler allmählich abzubauen, also schrittweise zu eliminieren.


Wichtig ist dabei nur:

  1. Dir muss klar sein, dass es ein Fehler ist, warum es ein Fehler ist und wie es richtig ist.

  2. Du musst regelmäßig korrigiert bzw. darauf hingewiesen werden, wenn du diesen Fehler wieder machst.

  3. Du musst selbst bewusst auf diesen Fehler achten (und ruhig auch versuchen, bewusst darauf zu achten, wenn du es bei anderen richtig hörst oder liest).

  4. Du musst möglichst viele Sätze mit der entsprechenden Form benutzen, um sie richtig zu automatisieren.


3. Wortschatzfehler: Deine Helfer, um besser zu formulieren


Wortschatzfehler sind oft das Ergebnis von direkten Übersetzungen aus der Muttersprache. Englischsprachige Lernende sagen z.B. oft, dass sie „eine Entscheidung machen“, statt dass sie „eine Entscheidung treffen“, weil sie das englische „make a decision“ direkt ins Deutsche übertragen.


Solche Fehler helfen dir, die Unterschiede zwischen deiner Muttersprache und der Zielsprache besser zu verstehen. Wenn du so einen Fehler machst und dann korrigiert wirst, bleibt die richtige Form länger im Gedächtnis. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass dieser Lernprozess effektiver ist, als die richtige Kollokation einfach nur auswendig zu lernen. So bekommst du ein besseres Gefühl für natürliche Wortverbindungen und kannst in Gesprächen schneller die richtigen Wörter finden.


4. Pragmatische Fehler: Sprachlich korrekt, aber unhöflich?


Fehler passieren nicht nur in der Grammatik oder beim Wortschatz – manchmal geht es darum, wie etwas formuliert wird. Solche pragmatischen Fehler entstehen, wenn eine Aussage grammatikalisch korrekt ist, aber im sozialen Kontext unpassend wirkt. Ein Beispiel: „Schreib es dir auf!“ mag sprachlich richtig sein, klingt aber unhöflich. Besser wäre: „Schreib es dir am besten auf.“ Oder: „Schreib es dir doch lieber auf.“ (Je nach Situation und Kontext.)


Diese pragmatischen Regeln erwirbt man (= lernt, verinnerlicht und eignet man sich an) oft später als grammatische Regeln. Das wurde schon 1998 von den Linguisten Kathleen Bardovi-Harlig und Zoltán Dörnyei gezeigt. Doch gerade hier sind Fehler auch wieder besonders lehrreich: Wenn du nämlich eine unpassende Formulierung verwendest und eine Reaktion bekommst (z.B. eine irritierte Mimik), lernst du ja schnell, wie du dich besser ausdrücken kannst. Ist dir so was schon mal passiert? Hinterlasse gerne unten einen Kommentar.


Die richtige Fehlerkultur: So nutzt du Fehler produktiv


Der größte Fehler wäre es, Fehler zu vermeiden! Doch wie kannst du sie als Lernchance nutzen?


Sieh Fehler als Lernchance:

Wenn du immer wieder denselben Fehler machst, bedeutet das, dass du an einer bestimmten Stelle noch eine Lücke hast. Nutze Fehler also als eine Art Wegweiser für dich beim Lernen, um diese Lücken zu füllen.


Tracke deine Fehler:

Schreibe deine Fehler auf und überprüfe sie regelmäßig. So erkennst du Muster und kannst gezielt an deinen Schwächen arbeiten.


Korrigiere dich selbst: Nimm deine eigene Stimme auf und hör dir die Aufnahme an – du wirst erstaunt sein, wie viele Fehler du selbst erkennen und korrigieren kannst.


Hole regelmäßiges Feedback ein:

Bitte deine Mitmenschen aktiv, dich zu korrigieren. Das können deine Lehrkraft, dein Tandempartner, aber ruhig auch deine Freunde oder Kollegen sein. Notiere dir wiederkehrende Fehler, damit du gezielt an ihnen arbeiten kannst. In meiner Online-Akademie kannst du regelmäßig Feedback zu deinen individuellen Baustellen bekommen.


Verständlichkeit vor Perfektion:

Dein Ziel sollte sein, dich flüssig und klar auszudrücken, nicht komplett ohne Fehler zu sprechen.


Fazit: Fehler als Wegweiser für deinen Fortschritt


Fehler beim Deutschlernen sind kein Zeichen von Misserfolg – sie sind der Schlüssel zu echtem Fortschritt. Sie zeigen, wo dein aktuelles Sprachwissen noch angepasst werden muss und helfen dir, bewusster mit der Sprache umzugehen.


Die Noticing-Hypothese bestätigt: Erst wenn du einen Fehler wirklich bemerkst, kannst du ihn aktiv korrigieren, daraus lernen und eine Wissenslücke füllen. Würdest du von Anfang an komplett ohne Fehler sprechen, würdest du kaum Neues lernen, weil du dich nicht aktiv mit den Strukturen und Feinheiten der Sprache auseinandersetzen müsstest. Du würdest stagnieren. Fehler machen wir alle – immer – egal, was wir lernen.


Sieh Fehler also als Helfer. Je mehr du sie nutzt, desto schneller wirst du auch besser. Also, hab keine Angst vor Fehlern – sie sind nicht nur unvermeidlich, sondern bringen dich Schritt für Schritt zu einem natürlicheren und sichereren Deutsch!


 

Glossar


  • Der Fehler verfestigt sich. – Die falsche Form bleibt im Gedächtnis, sodass sie später schwerer zu korrigieren ist.

  • Scheitern: Wenn man scheitert, bedeutet das, dass man aufgegeben hat oder dass das Ziel endgültig unerreichbar geworden ist.

    • Ich bin gescheitert. = Ich habe es nicht geschafft. Ich gebe auf.

    • Er ist an der Aufgabe gescheitert. = Er hat die Aufgabe nicht lösen können.

  • im Endeffekt – in letzter Konsequenz; unterm Strich

  • Fehler sind unvermeidlich / unvermeidbar – man kann sie nicht vermeiden; sie passieren sowieso

  • eine Hypothese / Behauptung aufstellen – eine Hypothese / Behauptung formulieren

  • ein entscheidender Faktor – ein wichtiger Aspekt

  • der Moment der Erkenntnis – Aha-Moment

  • auf die Gefahr hin – obwohl ich mir der Gefahr bzw. dem Risiko bewusst bin

  • du setzt dich mit den Strukturen der Sprache auseinander – du beschäftigst dich damit, lernst mehr darüber


3 commentaires

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Lena
11 mars
Noté 5 étoiles sur 5.

Das alles ist Wahrheit.

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Invité
11 mars
Noté 5 étoiles sur 5.

Top!

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Gast
11 mars
Noté 5 étoiles sur 5.

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Benjamin Rannig

Wer ist Benjamin?

Benjamin Rannig ist der Gründer von Deutsch mit Benjamin, erfahrener muttersprachlicher Deutschlehrer und Akzentcoach. Er hat bereits während seines Studiums der Germanistischen Linguistik an der Humboldt-Universität zu Berlin umfangreiche Lehrerfahrung gesammelt und an verschiedenen Sprachschulen unterrichtet. 2020 gründete er seine eigene Online-Akademie für Deutschlernende. Seine besondere Leidenschaft und Expertise liegt in der Phonetik, Phonologie und Prosodie.

'Deutsch mit Benjamin' wird von folgenden Institutionen und Personen empfohlen:

 

Universität Stuttgart | Universität Bielefeld | Hochschule Reutlingen | Hochschule Heilbronn |

Institut für Interkulturelle Kommunikation e.V. Berlin | Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker, TU Dresden

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