Deutsche Aussprache verbessern – Wie du mit Assimilationen dafür sorgst, dass dein Deutsch fließend klingt
- Benjamin Rannig

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Kannst du dich schon gut auf Deutsch verständigen, klingst aber immer noch nicht fließend? Hast du selbst und sogar deine Gesprächspartner das Gefühl, dass du angestrengt, unsicher und abgehackt klingst? Wirst du deshalb in Meetings und Unterhaltungen seltener intuitiv verstanden, öfter unterbrochen und weniger spontan einbezogen?
Ein häufiger Grund dafür ist, dass du alle Wörter getrennt davon artikulierst. Im Deutschen führt das zu einer Überartikulation und einem unnatürlichen Sprechrhythmus. Bei deinen Zuhörern entsteht so auch bei perfekter Grammatik der Eindruck, du seist nicht vollständig integriert in die kommunikative Dynamik.
Ein wichtiger Prozess, mit dem du gezielt beginnen kannst, deine deutsche Aussprache zu verbessern und souveräner zu klingen, sind die Assimilationen.
Du lernst hier:
was Assimilationen genau sind und warum sie passieren
wie du damit schnell gesprochenes Deutsch besser verstehen kannst
inwiefern dir Assimilationen dabei helfen, dass man dich als selbstsicher, sprachlich souverän und angenehm zu hören wahrnimmt
Auch die Fähigkeit, spontan und unter Druck zu reagieren, ist ein häufiger Grund, warum man sich auch auf einem hohen Sprachniveau nicht fließend äußern kann.
1. Assimilationen – das Fundament für eine fließende deutsche Aussprache
1.1 Die Mechanik der Sprache: Koartikulation
Um Assimilationen zu verstehen, müssen wir zuerst über Koartikulation sprechen. Das ist ein rein mechanischer Prozess: Während wir sprechen, vollziehen unsere Sprechorgane (Zunge, Lippen, Kiefer, Gaumen, Kehlkopf) kontinuierliche und überlappende Bewegungen. Anstatt jeden Laut einzeln und isoliert zu bilden, bereiten sich die Sprechorgane bereits auf den nächsten Laut vor, während sie noch den aktuellen formen.
Zwei klassische Beispiele verdeutlichen das:
Der [k]-Laut: In „Kiel“ wird das [k] viel weiter vorne im Mund gebildet als in „Kuh“, weil die Zunge bereits die Position für das folgende [iː] bzw. [uː] antizipiert.
Die Lippenrundung: Im Wort „groß“ beginnen die Lippen bereits während der Bildung des [g] oder [ʁ], sich für das folgende [oː] zu runden.
Koartikulation ist also der ununterbrochene Bewegungsfluss beim Sprechen in jeder Sprache und die physiologische Grundlage für alles, was wir als Assimilation hören.
1.2 Was genau sind Assimilationen?
Assimilationen sind das hörbare, phonetische Ergebnis der Koartikulation. Es ist der Prozess, bei dem sich ein Laut an einen benachbarten Laut angleicht (Angleichung verschiedener Laute aneinander).
Dieser Prozess ist kein Zeichen von „fauler“ oder „nachlässiger“ Aussprache. Im Gegenteil: Er ist ein universelles und notwendiges Merkmal jeder lebenden Sprache. Assimilationen machen das Sprechen effizienter und ökonomischer, indem sie die Übergänge zwischen den Lauten erleichtern.
Man unterscheidet dabei zwischen partieller und totaler Assimilation.
Partielle Assimilation heißt:
Ein Laut nähert sich in einem Merkmal an den anderen an, aber beide Laute bleiben unterscheidbar.
Beispiel:
es gibt: Der stimmlose Konsonant [s] „infiziert“ den Folgekonsonanten [g], indem er diesen ebenfalls stimmlos werden lässt. Dasselbe passiert am Ende der Phrase, indem das stimmlose [t] aus dem ursprünglich stimmhaften [b] ein stimmloses [p] macht: [əsˈg̥iːpt].
Totalassimilation heißt:
Ein Laut wird komplett durch den anderen ersetzt oder beide verschmelzen zu einem neuen Laut. Das zählt man häufig auch zur Reduktion.
Beispiel:
Aussprache: Der Konsonant [s] wird durch den darauffolgenden Konsonanten [ʃ] komplett „verschluckt“, sodass man [ˈaʊ̯ʃʃpʁ̥aːχə] sagt.
Einige Lehrkräfte vertreten noch ein dogmatisches Verständnis von Aussprache – sie sind der Ansicht, dass Nicht-Muttersprachler jedes einzelne Wort perfekt artikulieren müssen. Das Ergebnis ist aber die schon erwähnte Überartikulation. Im Deutschen wirkt diese Überartikulation – so paradox das jetzt klingen mag – nicht wie gute Aussprache. Stattdessen führt sie dazu, dass die Sprache langsamer und stockend klingt.
Wenn du dagegen die Assimilationen beherrschst, klingst du auf Deutsch selbstsicher und wirst eher als gleichwertiger Gesprächspartner wahrgenommen.
Schauen wir uns jetzt also genauer an, wie du mit Assimilationen deine deutsche Aussprache verbessern kannst.
2. Diese Assimilationen solltest du kennen, um deine deutsche Aussprache zu verbessern
2.1 Progressive Assimilation: Der vordere Laut gibt den Ton an
Die progressive Assimilation ist die häufigste Form in der deutschen Standardaussprache. Hierbei beeinflusst ein Laut den nachfolgenden Laut.
In slawischen Sprachen und im Ungarischen überwiegt die regressive Assimilation, d. h. der letzte Konsonant beeinflusst die vorhergehenden. Wenn du eine dieser Muttersprachen sprichst, achte also besonders darauf, dass im Deutschen meist der erste Konsonant die folgenden beeinflusst.
Progressive Assimilation der Stimmhaftigkeit
Ein sehr häufiges Beispiel ist die Assimilation der Stimmhaftigkeit. Ein stimmloser Konsonant am Ende eines Wortes oder einer Silbe bewirkt, dass ein nachfolgender – ursprünglich stimmhafter – Konsonant ebenfalls stimmlos wird.
Beispiele:
ich weiß: Der stimmlose Ich-Laut [ç] am Ende von „ich“ entstimmt das [v] von „weiß“. Die korrekte, natürliche Aussprache ist [ɪçˈv̥aɪ̯s]. Eine getrennte Aussprache wäre unnatürlich.
noch bei: Der stimmlose Ach-Laut [χ] am Ende von „noch“ sorgt dafür, dass das [b] am Anfang von „bei“ ebenfalls stimmlos ausgesprochen wird: [nɔχb̥aɪ̯]
ins Büro: Das stimmlose [s] am Ende von „ins“ überträgt seine Stimmlosigkeit auf das folgende [b], sodass man [ɪnsb̥yˈʁoː] sagt.
Sieh dir das folgende Video Aussprachetraining an, um diese und weitere Beispiele im Kontext zu hören. Falls das Video nicht angezeigt wird, klick hier.
Progressive Assimilation des Artikulationsortes
Ein weiteres Beispiel ist die progressive Assimilation des Artikulationsortes. Hier beeinflusst ein Konsonant den nächsten so, dass im Endeffekt beide an derselben Stelle gebildet werden – und zwar an der Stelle, an der der erste Konsonant auch normalerweise entsteht. Das passiert in der Regel infolge der sogenannten e-Schwa-Tilgung in unbetonten Endsilben.
Beispiele:
sieben: Der bilabiale (= mit den Lippen gebildete) Konsonant [b] infiziert das eigentlich vorne an den Zähnen gebildete [n] – es entsteht daraus der bilabiale Konsonant [m] und man sagt [ˈziːbm̩].
sagen: Der velare (= am hinteren Gaumen gebildete) Konsonant [g] verwandelt das [n] in den velaren Konsonanten [ŋ]. Nun sind also beide Konsonanten velar und man sagt [ˈzaːgŋ̩].
Weitere Beispiele hörst du im folgenden Video, in dem du auch lernen kannst, was es genau mit der e-Schwa-Tilgung auf sich hat. Sieh es dir jetzt an, wenn du interaktiv mit mir deine deutsche Aussprache verbessern willst.
2.2 Regressive Assimilation: Der folgende Laut beeinflusst alle vor ihm
Bei der regressiven Assimilation beeinflusst ein Laut den vorhergehenden. Dieses Muster ist typisch für slawische Sprachen, das Ungarische und auch häufig im Arabischen zu beobachten.
Im Deutschen kommt die regressive Assimilation zwar ebenfalls vor, aber seltener – und an ganz anderen Stellen. Oft erfolgt dort, wo in diesen Sprachen die regressive Assimilation richtig wäre, im Deutschen die progressive Assimilation.
Hier kommen Beispiele für die regressive Assimilation im Deutschen:
Regressive Assimilation des Artikulationsortes
Ziemlich häufig ist die Anpassung des [n] an den Artikulationsort des folgenden Konsonanten. Was wir eben bei der progressiven Assimilation in Wörtern wie „sagen“ gesehen haben, kann auch in die andere Richtung passieren. Also: [g] „infiziert“ das vorhergehende [n], sodass beide Konsonanten am hinteren Gaumen gesprochen werden.
Beispiele:
(der) Kongress – [kɔŋˈgrɛs]
(das) Angebot – [ˈaŋgəboːt]
einkaufen – [ˈaɪ̯ŋkaʊ̯fn̩]
Auch das anfängliche Beispiel mit dem Wort „Aussprache“ gehört dazu:
aus – [aʊ̯s]
(die) Sprache – [ˈʃpʁ̥aːχə]
(die) Aussprache – [ˈaʊ̯ʃpʁ̥aːχə]
Nasale Verschlusslösung – Ein Gamechanger, mit dem du deine deutsche Aussprache in wenigen Sekunden verbessern kannst
Dieses Phänomen tritt auf, wenn auf einen Plosiv wie [t] oder [d] vor einem potentiellen [n] stehen. Der Plosiv wird dann nicht mehr hörbar durch den Mund gelöst, sondern die Luft entweicht durch die Nase, weil die Sprechorgane sich bereits auf das folgende nasale [n] vorbereiten.
ersten: Statt [ˈɛɐ̯stən] – was überartikuliert klingen würde – sagt man [ˈɛɐ̯stⁿn̩]. Das [t] wird dabei quasi „durch die Nase gedrückt“, beeinflusst durch das nachfolgende [n]. Hier kommt es zu dieser Assimilation als Folge der e-Schwa-Tilgung.
sie braucht noch: Hier passiert dasselbe. Man sagt: [ziˈbʁaʊ̯χtⁿ͜nɔχ].
Ich empfehle dir hierzu das bereits gezeigte Video, da du dort die Wörter und Sätze direkt hören kannst, das Phänomen anschaulich erklärt bekommst und so schon jetzt deine deutsche Aussprache verbessern kannst. Klick hier, um dir das Video anzusehen.
3. Assimilation beim Zusammentreffen von Plosiven
Eine klare Regel im Deutschen betrifft das Aufeinandertreffen von zwei Plosiven, also Verschlusslauten wie [p], [t], [k], [b], [d], [g].
Wenn zwei Plosive direkt aufeinandertreffen, wird nur der Verschluss des zweiten hörbar gelöst.
das Angebot passt: Unnatürlich wäre es, sowohl das [t] als auch das [p] zu artikulieren, denn das wirkt so, als würde man beide Wörter getrennt voneinander sagen. Stattdessen sagen wir die Phrase so: Wir bereiten mit der Zunge ein [t] vor, legen sie also hinter die oberen Schneidezähne – das ist der Verschluss. Diesen lösen wir aber nicht hörbar, sondern gehen direkt in den nächsten über – also das [p].
Weitere Beispiele, in denen wir genauso vorgehen – hier ist auch darauf zu achten, dass der zweite Konsonant aufgrund der progressiven Assimilation stimmlos wird:
mitgeben
macht gerade
hat bestimmt
Wenn zwei Plosive aufeinandertreffen, die ohnehin an derselben Stelle gebildet werden, spricht man nur den zweiten, aber natürlich stimmlos, wie in diesen Beispielen:
Feedback geben – Man sagt kein [k], sondern nur ein stimmloses [g̥].
mit dir
deshalb bin ich
Wenn drei Plosive aufeinandertreffen
Wir wissen ja alle, dass das Deutsche sehr konsonantenreich ist. Dementsprechend viele Konsonantencluster haben wir auch – Verbindungen aus zwei oder mehr Konsonanten. So gibt es eben auch viele Wörter und Phrasen mit drei Plosiven. Davon gibt es nicht so viele verschiedene Kombinationen im Deutschen:
[p] oder [k] + [t] + irgendein anderer Plosiv
Der erste Plosiv kann nur [p] oder [k] sein, der zweite ist immer [t]. Der dritte Plosiv kann jeder sein.
Wenn drei Plosive aufeinandertreffen, wird nur der Verschluss des letzten hörbar gelöst und dieser ist dann stimmlos. Der mittlere – also [t] – wird getilgt.
Hier sind einige Beispiele für Wörter und Phrasen, die das Cluster enthalten:
(die) Produktbeschreibung – [k] wird vorbereitet, indem der hintere Teil des Zungenrückens an den hinteren Gaumen geklebt wird. [t] wird nicht gesprochen. Nur der Lippenverschluss des stimmlosen [b̥] wird hörbar gelöst.
es gibt kein – [p] wird vorbereitet, indem die Lippen zusammengepresst werden. [t] wird nicht gesprochen. Nur der Verschluss der Zunge am hinteren Gaumen beim [k] wird hörbar gelöst.
(der) Hauptbahnhof – Weil [t] ohnehin nicht mitgesprochen wird, bleibt nur ein stimmloses [b̥] übrig, das ja genauso mit den Lippen gebildet wird wie [p].
4. Mythos zur deutschen Aussprache: Der Glottisschlag
Im Deutschen gibt es einen unsichtbaren Konsonanten, der eine große Rolle für eine klare Aussprache spielt: der Glottisschlag [ʔ]. Er hat viele weitere Bezeichnungen in der Linguistik (Vokalneueinsatz, Knacklaut, Stimmritzenverschlusslaut, glottaler Plosiv ...) – offensichtlich ist er sehr spannend. :)
Er funktioniert wie ein unsichtbares Trennzeichen und beeinflusst, ob man dich versteht.
Ein Beispiel ist die Phrase: das Auto.
(Die akzentuierte / betonte Silbe ist hier größer dargestellt.)
In vielen Sprachen würde man den Vokal der ersten Silbe mit dem der zweiten verbinden und so was wie „das ͜ Auto“ / „da-Sauto“ sagen.
Das passiert z. B. im Englischen bei „an ͜ apple“, im Französischen bei „vous ͜ êtes“ oder im Ungarischen bei „vasút͜állomás“.
Vielleicht hast du schon mal gehört, dass man im Deutschen vor jeder Silbe, die mit einem Vokal beginnt, diesen Glottisschlag aussprechen muss, wenn man seine deutsche Aussprache verbessern will.
Das ist aber ein Mythos!
Es stimmt, dass dieser „Vokalneueinsatz“ bzw. Glottisschlag an bestimmten Stellen realisiert werden muss – und dass das häufiger passiert als in manchen anderen Sprachen.
Aber:
Erstens gibt es diesen Konsonanten in vielen anderen Sprachen auch, wo er auch genauso benutzt wird – z. B. in slawischen Sprachen oder manchmal sogar im Englischen (obwohl das Englische häufig als Gegenbeispiel angeführt wird).
Zweitens wird er auch im Deutschen manchmal weggelassen – aufgrund der Assimilation.
Mit diesen Regeln für den Glottisschlag wirst du deine deutsche Aussprache wirklich verbessern
Ob man den Glottisschlag mitsprechen muss oder nicht – dafür gibt es klare Regeln (die betonte Silbe ist hier immer größer dargestellt):
Verbindung verboten, Glottisschlag ist Pflicht: Wenn eine betonte Silbe mit einem Vokal beginnt, muss davor ein Glottisschlag gesprochen werden. Er funktioniert wie eine winzige Pause und verhindert eine Verbindung zum vorhergehenden Wort.
Sie ist bei | uns.
das | Auto
Verbindung erlaubt, Glottisschlag fällt weg: Beginnt hingegen eine unbetonte Silbe mit einem Vokal, ist der Knacklaut optional. Besonders fließend wird die Verbindung, wenn auch das Wort davor unbetont ist – dann sprechen wir keinen Glottisschlag:
Ich muss noch etwas kaufen. – noch ͜ etwas
Sie hat bei uns übernachtet. – bei ͜ uns
Nicht-akzentuierte (= unbetonte) Wörter und Silben, die mit einem Vokal beginnen, werden also in der Regel ohne Glottisschlag gesprochen.
Diese auf den ersten Blick kleine Regel hat einen enormen Einfluss darauf, was im Deutschen flüssig und rhythmisch korrekt klingt.
5. Fazit – Assimilationen verstehen, um deine deutsche Aussprache zu verbessern und souveräner zu wirken
Assimilationen sind kein Fehler und keine Nachlässigkeit, sondern ein fundamentales Prinzip sprachlicher Effizienz, das die natürliche, fließende Aussprache regelt. Die Regeln in diesem Artikel scheinen sehr „technisch“ – die gute Nachricht ist aber, dass Assimilationen im Deutschen systematisch, also ziemlich vorhersehbar, sind.
Der Schlüssel zu einer wirklich authentischen deutschen Aussprache liegt darin, sich dieser Phänomene bewusst zu werden. Durch gezieltes Hören und Aussprachetraining kannst du schrittweise einen realen, lebendigen Sprachfluss und somit einen natürlichen deutschen Akzent entwickeln.
Wendet man die Assimilationen nicht an, wirkt die Sprache abgehackt.
Wer sie jedoch richtig übernimmt, wird so wahrgenommen, dass er seine Gedanken spontan und natürlich äußern kann.
Im Schriftlichen sind viele längst auf muttersprachlichem Niveau. Vielleicht auch du.
Aber merkst du auch manchmal, dass deine Aussprache dich weniger kompetent wirken lässt?
Erzähle mir, wenn du magst, in den Kommentaren von deiner Erfahrung.















Danke für alles , deine kostenlosen Videos auf Youtube haben meine Aussprache zum besseren verändert ,danke dir❤️❤️🙏🏻